- Geschrieben von: Renate Altenkirch
Während des 2. Weltkriegs begann im Herbst 1944 aus Angst vor Vergeltung durch die unaufhaltsam vorrückende Rote Armee eine Massenflucht der Deutschen aus Ostpreußen und Schlesien, später auch aus Pommern. Eine Flucht war nur mit Genehmigung möglich. Die meisten hatten sich aber schon vorbereitet und das Notwenigste für die Flucht gepackt.
Nach dem Ende des Kriegs im Mai 1945 begann die systematische Vertreibung der in den ehemaligen deutschen Ostgebieten verbliebenen Deutschen.
Die Menschen waren in langen Trecks im bitterkalten Winter mehrere Wochen unterwegs. Nicht alle kam im Westen an. Etliche erfroren, verhungerten, starben an Krankheiten oder bei Angriffen. Mitte Februar 1945 traf die erste Kolonne von Flüchtlingen mit mehreren Familien in Wasbüttel ein.
Die größte Gruppe von Flüchtlingen kam mit dem Premslaff-Treck am 29. März 1945 nach Wasbüttel. Es handelte sich um rund 200 Bewohner des Gutes Premslaff (Pommern). Aber auch aus anderen Orten im Osten kamen kleinere Trecks nach Wasbüttel. Es handelte sich dabei um alte Menschen sowie Frauen mit Kindern. Nach ihrer Ankunft wurden sie auf die Höfe und Häuser verteilt. Sie hatten Unvorstellbares erlebt, waren mittellos und auf die Hilfsbereitschaft der Dorfbewohner angewiesen.
Der Bürgermeister kannte die Wohnsituation in den Wasbütteler Häusern und wies den Neuankömmlingen Unterkünfte zu. Es galt erst einmal, die Grundbedürfnisse zu befriedigen: Ein Dach über dem Kopf und Nahrung. Nach der Erstversorgung musste den Flüchtlingen eine Selbstversorgung ermöglicht werden. Viele wohnten und arbeiteten bei Bauern. Sie kannten bäuerliche Arbeit, waren sie doch oft selbst von einem Hof geflohen. *Als nach und nach die Männer aus der Gefangenschaft zurückkehrten, fanden sie Arbeit auf den Höfen oder bei VW. Man richtete es sich in den engen Wohnungen mit dem Nötigsten ein, vor allem ein eigener Herd ermöglichte eine gewisse Unabhängigkeit. Im Rat wurde diskutiert, wie den Geflüchteten zur Selbstversorgung Gartenland verfügbar gemacht werden konnte. 1948 erfolgte die Freigabe für ein Ackerstück der Witwe Erna Alpers zur Nutzung als Kleingartenanlage.
Die Einwohnerzahl des Dorfes hatte sich von ca. 400 im Jahr 1939 auf ca. 700 im Jahr 1949 erhöht. Im Jahr 1948 wurde der Malermeister Ernst Hoppe, der selbst Flüchtling war, zum Bürgermeister gewählt. Er setzte sich sehr für die Belange der Flüchtlinge ein. Er schrieb zahllose Briefe, um extreme Wohnsituationen abzumildern.
Eine leichte Verbesserung gab es erst 1952, als die ersten Siedlunghäuser im Birkenweg (Nr. 2, 4, 6, 8 und Schulstraße 9) und in der Kurzen Straße fertiggestellt waren. Die kleinen Häuser wurden von je zwei Familien bewohnt. Mit der weiteren Ausweisung von Bauland im Süden des Dorfes (Pommernring, Schlesierring) kamen zusätzlich Geflüchtete aus der Umgebung nach Wasbüttel.
Auf dem Schützenplatz wurde eine ehemalige Militärbaracke als Waisenheim genutzt.
Die Wasbütteler Alte Schule platzte aus allen Nähten. In einem Klassenraum mussten zeitweise rund 110 Schüler von einem Lehrer unterrichtet werden. Das ging nur in zwei Schichten. Im Jahr 1954 konnte die neue Schule eingeweiht werden.
Trotz des entbehrungsreichen Lebens hatten die Menschen Lust auf Feiern. Der damalige Lehrer Walter Stock organisierte sechs Jahre nach Kriegsende eine aufwändige 900-Jahrfeier für Wasbüttel.
Eine »Junge Gesellschaft« veranstaltete schon ab 1948 ein Schützenfest.
Einige Flüchtlingsschicksale sind dokumentiert.